Sitemap
Ratgeber
Vögel
Invasive Neophyten
Fledermäuse
Igel
Kompostberatung
Wildunfall
Vogelgrippe, Zugvögel
Feuerbrand

Rabenvögel im
Landwirtschaftsgebiet



Merkblatt (83 kB)

Rabenkrähen © Stefan Kohl
 
Verletzte oder kranke Vögel  
Rabenvögel

Text und Bilder: Schweizerische Vogelwarte Sempach
Rabenvögel in landwirtschaftlichen Kulturen

Rabenkrähen © Vogelwarte Sempach Rabenvögel suchen ihre Nahrung gerne im offenen Kulturland, namentlich auf Feldern, Wiesen und Weiden. So wird in der Landwirtschaft immer wieder über Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen geklagt, die von Rabenvögeln verursacht werden. Ausserdem befürchten Jäger einen negativen Einfluss auf die Hasenbestände.
Landwirtschafts- und Jagdvertreter argumentieren, die Bejagung der Rabenvögel sei zur Bestandsregulierung und Schadensbegrenzung in den Kulturen nötig und als Hegemassnahme zu Gunsten des Niederwilds anzusehen. So werden in der Schweiz jährlich 14'000 Rabenkrähen, 8'000 Eichelhäher, 4'000 Elstern und 400 Kolkraben erlegt (Mittelwerte 1998–2002). Hier stellen sich folgende drei Fragen:
  • Sind Abwehrmassnahmen gegen Rabenvögel rechtlich zulässig?
  • Erreichen die Schäden durch Rabenvögel ein solches Ausmass, dass sich Abwehrmassnahmen rechtfertigen lassen?
  • Kann mit den getätigten Massnahmen das Ziel erreicht werden?
Rechtliche Situation
Jagdbar oder geschützt?
Zur Gruppe der Rabenvögel zählt man in der Schweiz 9 Arten: Eichelhäher, Elster, Tannenhäher, Alpendohle, Alpenkrähe, Dohle, Saatkrähe, Aaskrähe (mit den beiden Unterarten Rabenkrähe und Nebelkrähe) und Kolkrabe. Davon sind Tannenhäher, Alpendohle, Alpenkrähe, Dohle und Saatkrähe geschützt. Eichelhäher, Elster, Raben- und Nebelkrähe sowie Kolkrabe sind nach eidgenössischem Jagdgesetz jagdbar. Die Kantone können jedoch auf ihrem Territorium weitere Beschränkungen verfügen. Auskünfte erteilen die kantonalen Jagdverwaltungen. Auf der Roten Liste stehen die Alpenkrähe (stark gefährdet), die Dohle (verletzlich) und die Saatkrähe (potenziell gefährdet).

Auswirkungen in der Landwirtschaft
Rabenvögel ernähren sich von pflanzlicher und tierischer Nahrung. Frisch gesäte Sommergetreide- und Maiskörner, auflaufende Keimlinge und Salatsetzlinge sind bei Raben- und Saatkrähe beliebt. Laut einer Umfrage bei den Kantonen und landwirtschaftlichen Beratungsstellen gibt es aber keinen gesamtschweizerichen Überblick über das Ausmass der Raben- und Saatkrähenschäden. Im Falle von Eichelhäher, Elster und Dohle sind die Schäden gering. Im Reb- und Obstbau können Rabenvögel und andere schwarmbildende Singvögel wie Stare und Wacholderdrosseln im Herbst lokal für finanzielle Einbussen sorgen. Andererseits agieren Rabenvögel auch als Nützlinge und werden von Landwirten deshalb geschätzt. So übernehmen zum Beispiel Rabenkrähen und Kolkraben eine wichtige ökologische Funktion als Aasfresser und Vertilger von Schnecken und Mäusen. Der Eichelhäher ist im Volksmund auch als “Eichelsäer” bekannt. Er sorgt für die natürliche Verbreitung der Eiche, indem er Eicheln als Nahrungsvorräte im Boden versteckt, aber nur einen Teil davon wieder herausholt.

Rabenkrähe
Untersuchungen in der Schweiz haben gezeigt, dass die Nahrungszusammensetzung der Rabenkrähe mit der Art der Bewirtschaftung zusammenhängt. Je nach Angebot ist der Anteil an pflanzlicher und tierischer Nahrung unterschiedlich. In Gebieten mit intensiv betriebener Landwirtschaft nehmen Rabenkrähen vor allem pflanzliche, in extensiv bewirtschafteten Gebieten vorwiegend tierische Nahrung auf. Für die Aufzucht der Jungen ist der Bedarf an tierischer, proteinreicher Nahrung besonders hoch. Brutvögel bevorzugen daher extensiv bewirtschafte Gebiete, welche reicher an Kleinsäugern und Insekten sind. Jedes Brutpaar verteidigt ein Territorium. Rabenkrähen, die zum Brüten noch zu jung sind, die keinen Brutpartner oder kein Territorium gefunden haben, schliessen sich zu Nichtbrüterschwärmen zusammen. Diese Aufteilung in Brutvögel und Nichtbrüterschwärme ist natürlich. Der Anteil an Brutvögeln und Nichtbrütern kann aber je nach Region stark variieren. Die Schwärme finden sich gerne in Gegenden mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung ein. Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen werden deshalb meist von diesen Schwarmvögeln verursacht. Hingegen richten die Brutvögel zur Brutzeit keine Schäden an.
Rabenkrähen © Vogelwarte Sempach
Rückfragen bei Bauern haben ergeben, dass Schäden hauptsächlich dann auftreten, wenn verschiedene nachteilige Faktoren wie späte Aussaat und schlechte Witterung zusammenwirken. Betroffen sind vor allem Mais-, Gemüse- und Getreidefelder. Die Schadenhöhe hängt davon ab, wie lange Saatgut und Schösslinge benötigen, um zu keimen und über eine kritische Höhe (beim Mais 10 bis 15 cm) hinauszuwachsen.


Saatkrähe
Saatkrähe © Vogelwarte Sempach Mit einem ladesweiten Bestand von rund 1700 Brutpaaren gehört die Saatkrähe zu den potenziell gefährdeten Vogelarten unseres Landes und steht unter Schutz. Unterscheiden kann man Saatund Rabenkrähe vor allem am Kopf: Eine ausgewachsene Saatkrähe hat eine unbefiederte, grauweisse Hautpartie um den Schnabelgrund (vgl. Abb.). Bei der Saatkrähe muss zwischen Brutvögeln und Wintergästen unterschieden werden.
Die Schweiz liegt am Südrand des Brutverbreitungsgebiets. Das Brutvorkommen der Saatkrähe beschränkt sich auf wenige Gebiete um die Städte Basel und Bern, Teile des westlichen und zentralen Mittellandes sowie der Ajoie. Saatkrähen brüten in Kolonien.
Das wichtigste Überwinterungsgebiet in der Schweiz für Vögel aus Nordosteuropa ist die Umgebung von Basel mit einem Winterbestand von gegen 10'000 Saatkrähen.

Eichelhäher, Dohle und Elster

Maisfelder bieten dem Eichelhäher zusätzliche Nahrungsquellen. In Einzelfällen wurden an Maiskulturen, die in Waldrandnähe liegen, Schäden festgestellt. Aufgrund dieser vereinzelt und nur örtlich auftretenden Schäden sind Massnahmen gegen den Eichelhäher nicht zu rechtfertigen.
Von der Dohle wie auch der Elster sind in der Landwirtschaft kaum Schäden bekannt. Positiv hervorzuheben ist, dass Rabenkrähe und Elster durch ihren Nestbau den Mäusevertilgern Waldohreule und Turmfalke, die selber keine Nester anlegen, ein Brüten im Kulturland ermöglichen.
Eichelhäher © Vogelwarte Sempach Dohle © Vogelwarte Sempach Elster © Vogelwarte Sempach
 

Massnahmen
Bejagung:
In der Schweiz werden jährlich etwa 14'000 Rabenkrähen geschossen. Der Abschuss einzelner Rabenkrähen aus einem Schwarm kann die restlichen Tiere für kurze Zeit von einem Feld vertreiben.
Als bestandsregulierende Massnahme greifen Abschüsse aber nicht. Dies zeigen neuere Untersuchungen. Die Ursache liegt im Sozialsystem der Arten. Bei Rabenkrähe, Elster und Eichelhäher trägt die Revierbildung zur innerartlichen Selbstregulierung bei. Gebiete mit geeigneten Strukturen und genügend grossem Angebot an tierischer Nahrung für die Jungenaufzucht sind limitiert. Im Frühling werden hier von brutfähigen Paaren Reviere besetzt und gegen andere Artgenossen verteidigt. Der Rest der Population ist von der Fortpflanzung ausgeschlossen. Wie bei vielen Vogelarten sinkt bei hoher Siedlungsdichte der Bruterfolg. Werden nun Rabenvögel aus ihren Revieren weggeschossen, wird das frei gewordene Brutrevier durch “wartende” Schwarmvögel übernommen. Werden Schwarmvögel in grosser Anzahl geschossen, verbessert dies allenfalls den Bruterfolg der Reviervögel. Sie müssen ihr Revier gegen weniger Artgenossen verteidigen und können mehr Zeit für die Jungenaufzucht aufbringen. Mit anderen Worten hält sich die Population in einer Grösse, die dem umweltbedingten Angebot an Nahrung und Nistplätzen entspricht. In diesem Sinne sind Abschussprämien mit dem Ziel der Bestandsregulierung nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich verfehlt, da sie den erklärten Zweck nicht erfüllen.
Waldohreule und Baumfalke, gebietsweise auch der Turmfalke, sind für die Fortpflanzung auf verlassene Krähennester angewiesen. Eine massive Reduktion der Rabenkrähen könnte auch auf sie Auswirkungen haben. Nicht in jedem Krähennest brütet auch eine Rabenkrähe...! Auf das Ausschiessen von Nestlingen ist aus dem gleichen Grund unbedingt zu verzichten! Nach dem Jagdgesetz ist der Abschuss von Falken und Eulen strafbar. Zudem wäre dieses Vorgehen auch vom jagdethischen Standpunkt aus gesehen indiskutabel.

Vertreiben ist schwierig, vorbeugen ist besser:
Schäden können durch verschiedeneVorbeugemassnahmen verringert werden
  • Strukturreichtum fördern: Rabenvögel bevorzugen übersichtliches Gelände, wo sie sich sicher fühlen. Feldgehölze und Hecken am Rande von Ackerflächen bieten ihren natürlichen Feinden Deckungsmöglichkeiten. Dadurch kann sich die Aufenthaltszeit der Rabenvögel auf den Feldern verringern.
  • Aussaatzeitpunkt: Bei ungünstiger Witterung dauert es lange, bis die Schösslinge die kritische Grösse von 10 –15 cm erreichen, ab der sie nicht mehr gefressen werden. Durch einen gut gewählten Aussaatzeitpunkt erreicht man den besten Schutz, indem die gefährdeten Kulturen möglichst wenig Zeit zum Keimen und Auflaufen brauchen.
  • Exakte Einsaat: Es sollten möglichst wenig Körner oder Samen an der Oberfläche liegen, da sie die Krähen auf die Nahrung aufmerksam machen. Wo immer es die Verhältnisse erlauben, ist beim Mais eine tiefe Saat anzustreben, damit das Korn möglichst gut im Boden verankert ist (bei geeigneten Böden evtl. walzen).
  • Pause zwischen Vorbereitungsarbeiten und Aussaat: Die menschliche Tätigkeit und das erhöhte Nahrungsangebot durch Pflügen und Eggen locken die Krähen an. Darum sollte zwischen Bodenbearbeitung und Aussaat ein Zeitraum von 1–2 Tagen liegen.
  • Staunässe: Staunasse Felder sind besonders gefährdet. Dort wächst der Mais langsamer und die vielen Bodentiere, die bei Nässe an die Oberfläche kommen, ziehen Rabenvögel an. In überschwemmungsgefährdeten Feldern sollte daher kein Mais angebaut werden.
  • Saatgut vergällen: Über die Wirkung von gebeiztem und vergälltem Saatgut gehen die Meinungen auseinander. Eine Behandlung des Saatgutes ist nur für stark gefährdete Felder sinnvoll. Falls verfügbar mit Antraquinon (Morkit) gebeiztes Saatgut verwenden. Ein sicherer Schutz ist allerdings nicht gegeben. Die vergällende Wirkung nimmt nach dem Keimen stark ab. Nach dem Auflaufen der Kultur sollten daher Aktivitäten vermieden werden, welche die Krähen auf die Felder locken (Düngen der Äcker mit Mist, Mähen oder Umbrechen benachbarter Wiesen u.ä.).
  • Parzielle Abwehrmethoden: Rabenvögel sind äusserst intelligente und anpassungsfähige Vögel. Deshalb sind für ihre wirksame Vertreibung Phantasie und Abwechslung gefragt. Sonst verlieren die Massnahmen innert Tagen ihre Wirkung, da die Vögel den Bluff durchschauen. Genau hier muss angesetzt werden! Am besten ist die Abwechslung und die Kombination mehrerer Methoden. Vertreibungsmassnahmen nach der Aussaat sind: Grosse Gasballone, farbige Plastikbänder, parkierte Autos und Knallapparate.
    - Die farbigen Plastikbänder werden in 80-100 cm Höhe etwa höchstens 2 m voneinander entfernt quer oder im Zickzack über die Felder gespannt. Plastikbänder und Knallpatronen wirken in der Regel 1- 3 Tage, parkierte Autos rund einen Tag. Vogelscheuchen und tote, aufgehängte Krähen zeigen hingegen meistens keine messbare Wirkung.
    - Knallpetarden und Netze bieten im Obst- und Rebbau einen effektiven Schutz. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die Netze fachmännisch (d.h. straff, keine am Boden liegenden Netzteile) gespannt und regelmässig kontrolliert werden. Auf die Verwendung von Einwegnetzen ist zu verzichten, da diese oft tödliche Fallen für Vögel und Igel darstellen. Zur richtigen Anwendung von Netzen im Rebbau kann beim Schweizer Vogelschutz SVS oder bei der Schweizerischen Vogelwarte das Merkblatt "Alles vernetzt?" bezogen werden.
    - In Testversuchen waren an 20-30m langen Leinen befestigte Gasballone (ø: mindestens 75 cm) 5-10 Tage wirksam. Gasballone wirken aber nur, wenn sie fliegen! Deshalb müssen sie rechtzeitig ersetzt bzw. wieder aufgefüllt werden.

    Weiterführende Literatur
    AICHMÜLLER, R. (1987): Eichelhäher – Eichelsäer. Der Vogel, der Wälder pflanzt. Vogelschutz 2/1987: 8–10.
    BAAS-FRANCKE, E. (1993): Rabenvögel: Ein krächzendes Ärgernis? NABU-Sonderdruck. Naturschutzbund Deutschland, Stuttgart.
    EPPLE, W. (1996): Rabenvögel: Göttervögel – Galgenvögel; ein Plädoyer im "Rabenvogelstreit". Karlsruhe.
    GLUTZ VON BLOTZHEIM, U.N. & K.M. BAUER (1993): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 13. AULA-Verlag, Wiesbaden.
    HÖLZINGER, J. (1987): Die Vögel Baden-Württembergs, Band 1. Ulmer, Stuttgart.
    JUILLARD, M. (1990): Evolution des colonies de Corbeaux freux, Corvus frugilegus, en Suisse. Nos Oiseaux 40: 407– 422.
    KELLER, V. (1998): Hans Huckebein & Co. – die Familie der Rabenvögel. Bericht zuhanden der Gemeinschaft der Freunde der Vogelwarte. Sempach.
    NAEF-DAENZER, L. (1984): Versuch zum Verjagen von Rabenkrähen (Corvus corone corone) von spriessenden Maisfeldern. Z. Jagdwiss. 30: 184 –192.
    RAHMANN, H. et al. (1988): Rabenvögel: Ökologie und Schadwirkung von Eichelhäher, Elster und Rabenkrähe. Josef Margraf, Weikersheim.
    STUDER-THIERSCH, A. (1984): Zur Ernährung der Rabenkrähe Corvus corone in der Schweiz. Orn. Beob. 81: 29 – 44.
    TOMPA, F. S. (1976): Zum Rabenkrähen-Problem in der Schweiz. Teil II: Rabenkrähe und Landwirtschaft: Schäden und Abwehrmassnahmen. Orn. Beob. 73: 195 –208.
    WITTENBERG, J. (1988): Langfristige Entwicklung einer Population der Rabenkrähe (Corvus c. corone) bei Braunschweig, ihre Zusammensetzung und ihr Einfluss auf andere Arten. Beih. Veröff. Natursch. Landschaftspfl. Baden-Württemberg 53: 211–223.

    Dank
    Wir danken folgenden Personen für ihre Mitarbeit:
    Gabriel Popow und Andres Meerstetter, Landwirtschaftliche
    Beratungszentrale Lindau LBL
    Hansueli Dierauer, Forschungsinstitut für biologischen Landbau
    FiBL
    Alfred Husistein, Agroscope FAW
    Mathias Menzi, Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarökologie
    und Landbau Agroscope FAL
    Peter Schlup, Schweizer Tierschutz STS

    Impressum: Merkblätter für die Vogelschutzpraxis
    © Schweizerische Vogelwarte Sempach und Schweizer Vogelschutz SVS – BirdLife Schweiz, Sempach und Zürich.
    Autor: K. Bollmann